Bauwerke
Wir haben willkürlich ausgewählt und die nüchternen Fakten in chronologischer Reihenfolge aufgelistet.
Rittergut
Als erster Besitzer des Rittergutes wurde 1350 die Familie von Hayn urkundlich belegt. Bekannt wurde es, als
1742 Kammerherr Heinrich von Dieskau Schloss und Rittergut erbte, gleich noch heiratete und seine Bauern der Meinung waren, ihm noch etwas Gutes tun zu müssen. Also beauftragten sie beim damaligen Thomaskantor etwas Musik. Im Ergebnis dieser Geschenkorgie führte Johann Sebastian Bach hier erstmals seine "Bauernkantate" auf. Der Text ist eine Lobpreisung des Freiherrn von Dieskau, die in ihrer huldigenden Form nur schwer zu ertragen ist. Es sei denn, Herr von Dieskau sei ein ganz uneigennützger Wohltäter gewesen.
Dann springen wir etwas in den Jahrhunderten. 1909 war Schluss mit Privatbesitz, es kam zur Eingemeindung des Rittergutbezirkes in die Stadt Leipzig. Ab 2008 wird das zur Zeit heruntergekommene Gelände als Baufläche für das gehobene Publikum zur Verfügung stehen.
Fazit: Ritter gut, alles gut
Taborkirche
Von 1902 bis 1904 wurde die Taborkirche im Stil der Neoromanik nach Plänen von A. Roßbach erbaut. Sie ist die einzige zweitürmige Kirche im Leipziger Stadtgebiet.
Für die Taborkirche wurde bereits 1844 ein Kirchenbaufonds durch die Gemeinde gegründet, da die alte Dorfkapelle nicht mehr alle Bewohner beim Besuch des Gottesdienstes aufnehmen konnte. Der Beschluss zum Bau kam jedoch erst 1898. Wahrscheinlich hat man einen Großteil der Finanzierung über die Zinserträge der dazwischen liegenden 54 Jahre erreicht.
Die Taborkirche wurde, abweichend von der sonst üblichen Ost-West-Ausrichtung von Kirchen, in Nord-Süd-Richtung gebaut. Ursache war der Geländeanstieg nach Süden. Für den Bau wurden 7 Vorschläge im neoromanischen Stil eingereicht. Letztendlich gewannen die Leipziger Architekten Roßbach/Lucht nach einem heftigen Meinungsstreit. Heute hätte derartiges keinen monumentalen Entwurf wie den der Taborkirche bewirkt, sondern ein krudes Sammelsurium von Architekturstilen, wie wir ihn heute bei Marktgalerie und Uni-Campus erleben mussten, wäre die Folge gewesen.
Die Kirche wurde nach dem Berg Tabor am Südrand von Galiläa, dem Heiligen Berg Israels, benannt. Von außen fallen die beiden 50 m hohen Türme markant auf, die ursprünglich mit Kupfer gedeckt waren. Der östliche, in Richtung Volkspark gelegene Turm ist der Aussichtsturm, der wohl nur mit Hilfe eines wohlgesonnenen Pfarrers zu betreten war. Der westliche Turm enthält die Uhr und das Geläut. Der Haupteingang wurde nicht an der Front zwischen den Türmen angeordnet, sondern - um einen kürzeren Weg für die gar hektischen Einwohner zu legen - an der Westseite der heutigen Windorfer Straße als Löwenportal ausgeführt. Etwas bedauerlich ist der Verzicht auf Seitenemporen im Inneren.
1961 kam es zu DDR-Zeiten zu einer ersten Generalreparatur der Taborkirche, die sich mit durch Materialmangel bedingten Pausen bis 1968 hinzog. Im November 2007 wird durch die IG Kleinzschocher die erstmalige Anstrahlung der beiden Kirchentürme organisiert.
Fazit: Eine grandiose Kirche. Da ist die geplante Anstrahlung nur gerecht.
Villa Tauchnitz
Die Villa wird durch den Verleger Carl Tauchnitz erbaut. In der Zeit der DDR werden die opulente Innenausstattung und die aufwändige Treppenkonstruktion zerstört. Vorderseite und Rückfront zeigen zwei unterschiedliche Architekturstile und Bauphasen. Türschilder belegen die letzte Nutzung als Geschäftstelle Südwest der stadteigenen LWB. Trotz aller baulicher Vergewaltigungen im 20. Jahrhundert ist der Zustand überraschend gut. Zur Zeit nicht mal unter Denkmalschutz.
Fazit: Etwas verwirrender Architekturstil. Schlimme Misshandlungen zur DDR-Zeit im Inneren. Aber heute noch ein charmantes Bauwerk im Dornröschenschlaf.
Schloss Kleinzschocher
Das Schloss fungierte als Zentrum des Rittergutes. 1848 wird Bernhard von Tauchnitz, ein bekannter Leipziger Verleger, neuer Rittergutsbesitzer. Damals sah das Schloss recht übersichtlich aus, wie untenstehende Malkunst zeigt. Aber 1865 erfolgt durch Tauchnitz ein grundlegender Umbau des Schlosses. Der Westflügel des Schlosses wird erheblich ausgebaut. Dieser Westflügel hatte eine (fast immobilientypische) Lebensdauer von genau 80 Jahren, denn 1944/45 fällt das gesamte Schloss dem Bombenhagel der Luftangriffe zum Opfer.
Fazit: Schade drum.
Dorfkirche Kleinzschocher
Die alte Dorfkirche war bis 1544 katholisches Gotteshaus. Danach wandelte sich das Merseburger Stift, dem Kleinzschocher unterstand, in ein evangelisches Konsistorium. Einziger nennenswerter Anbau war der des Turmes 1688 durch Georg Rötsch für damals 500 Gulden. Die alte Dorfkirche in Kleinzschocher würde mit ihrem Standort heute genau vor der Front der Taborkirche stehen. Im Jahr 1904, als die Taborkirche im Bau war und die kleine Dorfkapelle noch nicht abgerissen, steht die schmächtige Kapelle vor dem entstehenden pompösen neoromanischen Doppelturmbau.1905 kommt es zum Abriss der alten Kirche, die ursprünglich als kleine Kapelle zum Rittergut gehörte.
Fazit: Eigentlich ein nettes Häuschen. Aber schon damals gab es böse Abrissbuben. Und keinen Ex-Stadtbaurat Gormsen der sich an der kleinen Kapelle hätte anketten können.
Volksgut Kleinzschocher
Im Bebauungsplan von 1912 war das Gebiet tatsächlich zur Bebauung vorgesehen. Der Leipziger Stadtrat wollte ab 1914 die Flächen des Rittergutes Kleinzschocher erwerben, aber erst 1920 wurde ein Kaufvertrag abgeschlossen. Obwohl Schloss und Gärtnerei bereits zu Wohnzwecken umgestaltet worden waren, verzichtete man auf eine weitere Bebauung zugunsten einer großen Parkanlage und sperrte zunächst den Schlosspark für die Öffentlichkeit. 1928 lieferte Gartendirektor Molzen seinen Entwurf für einen Volkspark, der eine ausgedehnte, streng symmetrische Anlage mit Tummelwiese, Planschwiese, Kulturtheater und einem Uferweg entlang der Elster vorsah. „Ein Schmuckkästchen für den Westen Leipzigs“ resümiert die „Neue Leipziger Zeitung“ 1928 und kündigt die Freigabe des ehemaligen Gutsparks als ein „gartenkünstlerisches Werk von bezwingender Schönheit“ an. Später, in den 30er Jahren wurde die Planung modifiziert, der regelmäßige Bereich der Sondergärten angelegt. Schlosspark und Sommerbad wurden in die Gesamtanlage einbezogen und somit die verschiedenen Teilbereiche zu einem großen Volkspark zusammengefasst.Der Volkspark Kleinzschocher umfasst in seiner Gesamtheit mehrere gartenkünstlerisch gestaltete Einzelbereiche, die verschiedenen Zeitepochen angehören. Der älteste Teil ist der Schlosspark, der wegen seiner Komposition und seines Gehölzbestandes als eine der wertvollsten Parkanlagen Leipzigs gilt. Innerhalb dieses Volksparks ist heute noch die Entwicklung vom feudalen Rittergut über den Landschaftsgarten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, den Volkspark der 30er Jahre bis hin zu den Umgestaltungen in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ablesbar. Dazu gehören das Sommerbad Kleinzschocher, Blumenbeete, seltene Baumarten, große Langgraswiesen, die Sportplätze von Blau-Weiss Leipzig und dem LSV Südwest und etliches mehr.
Zur Zeit der DDR wurde ein Teil des Parkes am Küchenholz durch die frühmilitärische GST verbaut und massakriert. Glücklicherweise sind diese Bebauungen heute verschwunden.
Fazit: Selbst skurrile Langgras- und Tummelwiesen sind einem doch lieber als ein GST-Stützpunkt.
Volksgut Kleinzschocher
1888 eröffnete Rudolf Sack auf Kleinzschocherschen Feldern (an der heutigen Straße am Park/Grünau) eine Landwirtschaftliche Versuchsstation. Nach 1945 befand sich hier das Volksgut Kleinzschocher. Später wurde es zur Robert Koch Klinik.Fazit: Rudolf Sack hat nicht nur mit Metall geschraubt.
Steinerne Windmühle
1877 wurde die ortseigene Windmühle abgebrochen. Dann ging es schnell: 1878 wurde einer steinerne Windmühle errichtet. Doch schon 1889 brach man diese erneut ab, um das Gelände für Bebauung zu erschließen (heute Gießerplatz).
Fazit: Steinerne Windmühlen haben eine kurze Halbwertzeit.
Postgebäude
1879 erhält Kleinzschocher die erste Postagentur. Das Postgebäude war das Haus in der heutigen Windorfer Straße 46. Die Postagentur verfügte über keine eigenen Telegraphen. Im Gefahrenfall wurde Kleinzschocher entweder von Großzschocher oder von Plagwitz aus benachrichtigt.
Fazit: Eine Post ohne Telegraph ist , na ja, etwas ärmlich.
Freibad Kleinzschocher
Im August 1945 als Freibad Kleinzschocher wiedereröffnet. Zu DDR-Zeiten durch ein Sanitärinferno wie alle Leipziger Freibäder geprägt. In den 1990ern saniert. Die Sanierung hat auf jeden Fall die zu DDR-Zeiten gebräuchliche gallonenweise Chloreinleitung reduziert. Damals setzte man dem Chlor etwas Wasser hinzu. Nun hat sich das Bad zu einer schicken Anlage gemausert. Nur das Kleinkinderbecken hat manchmal arktische Temperaturen.
Hinter dem Freibad fand man bis August 2007 das inhaltlich beste und romantischste Leipziger Sommerkino. Aber die reichen Säcke aus der benachbarten Schleußiger Pistorisstraßengegend opponierten gegen die Lärmstörung ihrer Ruhestandsdemenz so lange, bis man an die Westseite des alten Zentralstadins umzog. Also nichts mehr mit Vorband und Filmklassikern auf der Liegewiese.
Fazit: Und nach dem Turmspringen in die Spätvorstellung nebenan: War einmal und kommt nicht wieder.
Alfred-Rosch-Kampfbahn
1949 wird auf Großzschocherscher Flur der "Sportplatz Windorfer Straße" mit 2.450 Sitz- und 7.500 Stehplätzen eingeweiht, der den Namen "Alfred-Rosch-Kampfbahn" erhält. 1951 bekommt die Bahn einenZementbelag. 1960 finden echt auf der "Alfred-Rosch-Kampfbahn" die Bahnradsport-Weltmeisterschaften der Amateure und Berufsfahrer statt. 1970/71, es war wohl mal material vorhanden, folgte die Überdachung der "Alfred-Rosch-Kampfbahn" als Trainings- und Wettkampfstätte der DDR-Bahnradsportler. Ganz wichtiger milestone:1975 kommt es zum 1. Stadtbezirksfest auf der "Alfred-Rosch-Kampfbahn".
Fazit: Der Ort wird von der „Lose Skiffle Gemeinschaft“ Jahrzehnte später in einem zeitlosen Songklassiker zur Heimat von Jack the Diamant verklärt. Zu recht, denn es ist ein großartiges Oval.
Schauburg
1962 kommt es zur Neueröffnung des Filmtheaters "Schauburg" als erstes 70-mm-Panoramakino der DDR. Das Lichtspieltheater wurde bereits 1928 nach Plänen von Hermann Mäding errichtet. Erster Film: Die erste Verfilmung von "Moulin Rouge".
In den 90er Jahren im Besitz der Filmbetreiberfamilie Rehs, die u.a. auch Capitol und das Grünauer Kino Bofimax betrieben. 1994 baut Rehs das Gebäude um wodurch 3 Säle mit 435 Plätzen entstehen.Anfänglich konnte man aus den Erträgen des legendären „Capitol“ (das 2005 einem SinnLeffers ganz weichen musste) das – teuer gebaute und wenig erfolgreiche - Grünauer Miniplexkino querfinanzieren. Nach Eröffnung des Cinestar am Burgplatz konnte das Capitol seine Monopolstellung nicht mehr halten, die Verluste aus dem Grünaukino führten maßgeblich zur Insolvenz des umtriebigen und engagierten Filmbetreibers Rehs.
Eine Odyssee der Schauburg begann. Beim Insolvenzverwalter zum Themenkino zum Billigkino. Vom Insolvenzverwalter erwirbt es ein Leipziger Immobilienunternehmen, wohl auch weil das Areal um den Adler damals als renditeträchtiges Stadtteilzentrum im Gespräch war. Aber gar nicht schlecht: Am 3. Januar 2008 eröffnet die Schauburg neu, Betreiber ist Michael Schönberg. Im Programm eher Klassiker als Blockbuster, einzusehen unter www.schauburg-leipzig.de
Friedhof Kleinzschocher
Der Friedhof Kleinzschocher wurde im Jahre 1892 im Zusammenhang mit der ersten Bestattung durch den damaligen Pfarrer von Kleinzschocher, Gottfried Christian Lohse (1854-1906), eröffnet. Die Kapelle wurde im Stil der Neoromantik von Richard Lucht erbaut und mittlerweile teilweise restauriert. Eine imposante, alleeartige Mittelachse führt zur Kapellenanlage.
Fazit: Natürlich nicht so imposant wie der Südfriedhof und die großen Cemeteries in London. Aber wer keine Berührungsängste hat findet nur dort Ruhe und ewige Einsamkeit.