Historie
Entstehung
Kleinzschocher entstand im 11. Jahrhundert als slawisches Gassendorf. Ausgangspunkt der Besiedlung war dabei der Hügel, auf dem heute die Taborkirche steht. 1287 wurde der Ort erstmals als "pavorum Scochere" (Zschocher altslaw. "Zypergras") erwähnt. Kleinzschocher bestand zu dieser Zeit aus einem südlich der Kirche gelegenen Oberdorf mit Hirtenviertel und einem nördlich gelegenen Unterdorf mit Häuslerviertel und Bauerngütern.
1484 heißt der Ort Cleyne Tschocher. Mit Einführung der Reformation im Jahr 1544 wurden die umliegenden Dörfer Groß-Miltitz, Schleußig und Plagwitz eingepfarrt und bildeten die Parochie Kleinzschocher. Die Kirche war nicht mehr als eine kleine Kapelle.
Aus dem 17. und den Anfängen des 18. Jahrhunderts sind fast nur Katastrophen überliefert. Schon damals schienen bad news die einzigen Neuigkeiten zu sein. So wurde 1632 das Dorf von Tillyschen Reitern geplündert und anschließend zerstört. 1636 und 1680 grassierte der Schwarze Tod, die Pest. Am 26. August 1703 wütete ein Großfeuer im Dorf, wodurch auch ein Großteil der historischen Aufzeichnungen vernichtet wurde. Dieses spürt man heute außerordentlich, denn historisch verbürgte Aussagen sind sehr dürftig. Oder es war damals wirklich nur aller 50 Jahre etwas Richtiges, also meist eine Katastrophe, los.
1706/07 wurde Kleinzschocher zur Truppenverpflegung im Nordischen Krieg verurteilt, was schwer beschreibbare Belastungen für die Einwohner mit sich brachte. Truppenverpflegung in dieser Zeit lässt sich treffend nur mit einem mehrmonatigen Heuschreckeneinfall vergleichen. Man fragt sich, was dieses Nest mit dem „Großen Nordischen Krieg“(1700 bis 1721) zu tun hatte, der durch die sogenannte „Gottorfer Frage“ ausgelöst wurde. Dänemark, Russland und Sachsen-Polen wollten die Zeichen der Zeit nutzen und den schwedischen Einfluß auf die Festlandsküste von Vorpommern bis nach Finnland zu beenden. Dieser Krieg beendete die beherrschende Position Schwedens im Ostseeraum und führte zum Aufstieg Rußlands zur Großmacht. Die gebeutelten Einwohner Kleinzschochers konnten sich wenigstens auf der richtigen Seite der Gewinner wähnen. So es sie überhaupt interessierte.
Dann passierte wieder nicht viel oder niemand schrieb es mit oder vielleicht gab es noch ein zweites Feuer….
19. Jahrhundert
Gut 100 Jahre später, man hatte sich wohl an die Kriege gewöhnt, flüchtete die Bevölkerung von Kleinzschocher im Oktober 1813 während der Völkerschlacht in den Auewald. Auf dem Flurstück "Weide" (an der heutigen Küchenholzallee) zwischen Schleußig und Kleinzschoche wurden Waffenhandlungen der Völkerschlacht ausgetragen. Ein Denkmal mit dem siegreichen österreichischen Doppeladler markiert heute diese Stelle. Immerhin gehörte Kleinzschocher zu dieser Zeit mit 134 bewohnten Gebäuden zu den größten Dörfern der Leipziger Umgebung. 1817 wohnten hier gar 300 Einwohner mit 260 Kühen oder umgekehrt.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es dann aber so richtig spannend. Der Allgemeine Turnverein Kleinzschocher wurde 1849 gegründet. Jubel im Lager der Reckturner. Schon 43 Jahre später – man war soeben in die Stadt Leipzig eingemeindet worden – wurde das Erste Turn- und Sportfest des Leipziger Arbeitersports abgehalten. Die Art der abgehaltenen Leibesübungen ist ebenfalls wieder nicht übermittelt, ein weiteres Beispiel für die laxe Haltung der Kleinzschocherer – oder heisst es –raner ? – in Sachen Geschichtsschreibung.
Dann aber, 2 Jahre später, der Höhepunkt der großstädtischen Entwicklung: Die Gründung des "Westvorstädtischen Schrebervereins Leipzig-Kleinzschocher" auf gepachtetem Gelände, Höhe Dieskaustraße 76. Wir wollen nicht hämem, bei den damaligen Wohnbedingungen war dies ein echter Fortschritt. Zu der Zeit soll im Restaurant "Bürgergarten" eine Protestveranstaltung der SPD gegen die ständig steigenden Mietforderungen der Hausbesitzer stattgefunden haben. Heute würden sich wohl eher die entnervten Hausbesitzer im Nat`l zu Protestversammlungen einfinden.
20.Jahrhundert
In der sogenannten Gründerzeit vervielfachte sich die Bevölkerungsanzahl auch in Kleinzschocher. Bedingt durch die herrschende Wohnungsnot begann nach der Eingemeindung die Erschließung von Bauland und intensiver Wohnungsbau. Am 1. Januar 1909 wurde auch der 140 ha große Rittergutsbezirk Kleinzschocher nach Leipzig eingemeindet. 1910–1913 wurde für den Industriellen Rudolph Sack ein Landschaftspark gestaltet (Robert-Koch-Park). Nach dem 1. Weltkrieg erwarb die Stadt das Rittergut und veräußerte die dazugehörigen Felder. Auf ihnen entstanden in der Folge zahlreiche Wohnbauten. Der Ort - durch die natürliche Barriere der Elsterebene nach Westen beschränkt, dehnt sich in mehreren Zeitetappen nach Osten aus. Damals ein generell deutsches Problem.
Zu Beginn des 2. Weltkriegs wurde in Kleinzschocher ein Kriegs- und Zwangsarbeiterlager errichtet.
DDR-Zeit
Ganz weiter Sprung in der Zeit. 1986, Maradona hatte Argentinien mit der Hand Gottes zum Fussballweltmeister gemacht, erlebt Kleinzschocher erst ein Jubiläum (100 Jahre Kleingartensparte "Natl") dann die vollständige Rekonstruktion des Kulturhauses "Alfred Frank". Geholfen hat es dem Bauwerk nicht, als „Lollipop“ wurde es in den 90ern abgerissen, als es dem Straßenausbau im Wege stand.
Nachwendezeit
Im September 1994 wird beschlossen, Kleinzschocher zum Sanierungsgebiet zu machen. „Seitdem wird das Gebiet baulich kontinuierlich modernisiert und verbessert“. Dieses Originalzitat aus einer Broschüre der Stadt Leipzig klingt wie eine Erfolgsmeldung der LVZ zu DDR-Zeiten. Gleich neben der Meldung über die heroischen Rekorde der Erntekapitäne bei der Zuckerrübenmahd.
Ohne Zweifel hat Kleinzschocher aber in den letzten Jahren eine Entwicklung genommen, die dem kleinbürgerlichen Image des Stadtteils nicht mehr entspricht. Im Gebiet um den Kantatenweg wird aufgrund der Parknähe jeder qcm Wohnfläche herausgepresst. Inzwischen ist gar ein Haus mit 3m Breite zwischen die notwendigen Abstandsflächen zu den Nachbarhäusern eingesandwicht worden. Aber der Blick in den Volkspark ist auch nur mit Kew Garden in London zu vergleichen. Wahnsinnig schön.
Das südlich des Stadtteilparks gelegene Gebiet der aufgelockerten Bebauung der 30er Jahre ist fast vollständig saniert. Nur das Gebiet rechts und links der Gießerstraße wirkt wie 1980, hat aber unzweifelhaft eine Funktion besonders für sozialschwache Mieter.